Früher oder später erwischt es uns alle einmal – es sei denn, man baut ganz im Geiste von St. James Jamerson seine ganze Karriere auf einem einzigen Satz Saiten auf. Je nach verwendeten Saiten, angestrebtem Sound und persönlichem Geschmack bleiben sie bei uns Tieftönern und Tieftönerinnen zwischen einem Gig und einem Jahr auf dem Instrument. Von Jack Bruce ist gar bekannt, dass er im Studio schon mal vor jedem Take die Saiten wechselt....
Fangen wir mit dem Saitenaufziehen mal da an, wo wir mit der letzten Folge aufgehört haben: an der Brücke. Hier finden wir prinzipiell drei Möglichkeiten vor, die Saiten aufs Instrument zu bringen. Entweder müssen oder können sie durch den Korpus gezogen werden, bevor sie durch Löcher in der Brückengrundplatte Richtung Saitenreiter gelangen, sie werden von oben eingehängt, oder – seit Ende der Fünfziger sicher der geläufigste Weg – von hinten in die Brücke eingefädelt.
Das ist wichtig für die Wahl der richtigen Saite, denn wenn die Saiten zuerst durch den Korpus sollen muss darauf geachtet werden, dass sie auch lang genug sind! Auch wenn der Bass eine normale Mensur hat, kann der zusätzliche Weg Saiten für längere Mensur nötig machen, denn nicht bei allen Longscale-Saiten ist die spielbare Wicklung ausreichend.
Was brauchen wir an Werkzeug? Nicht viel – einen Seitenschneider und eine Zange, oder besser: gleich eine Kombizange. Falls dergleichen noch gekauft werden muss: Nehmt nicht das billigste Werkzeug! Eine Basssaite ist gar nicht mal so dünn, und billige Seitenschneider verschlucken sich daran gerne und mögen dann gar nichts mehr durchkneifen. Also besser nicht das 28-teilige Set für einen Fünfer, denn für 10,– bis 20,– Euro bekommt man Werkzeug, das ewig mitgeht – wenn man es nicht gerade verliert!
Je nach Neigung leistet auch ein Stimmgerät gute Dienste. Am besten führt man alle Arbeiten auf einer festen Unterlage durch, damit man beide Hände frei hat, ein Küchentisch leistet meist gute Dienste! Nützlich ist dabei auch eine Halsablage, die die Kopfplatte hoch hält, wie es sie z.B. von Planet Waves als Headstand oder von Dunlop als Neck Cradle gibt. Die Low-Tech Variante wäre das eine oder andere dicke Buch. Achtet in diesem Fall aber auf eine sichere Lage eures Basses!
Fangen wir mal mit einer höchst praktischen Variante an, die sich auch im „BASS MUSEUM“ dieser Ausgabe fi ndet: dem Headless-Bass. Auch wenn sich diese Bauform nicht so durchgesetzt hat wie es manch einer in den 80ern vermutet haben mag, werden sie doch neu und gebraucht noch verkauft. Saiten zu wechseln kann jedenfalls nicht einfacher sein als hier: Oben hinter dem Nullbund am Saitenhalter einhängen, das andere Ende in den Schlitten der Stimmmechanik einlegen und hochstimmen. Das ist so schnell erledigt, dass man theoretisch den ganzen Satz wechseln kann, während der Sänger wieder eine seiner länglichen Ansagen macht. Werkzeug ist auch nicht vonnöten, nur logischerweise passende Double Ball-Saiten, die an jedem Ende ein Ballend haben.
Aber die meisten von uns werden es wohl mit der gewohnten Kombination aus Brücke auf dem Korpus und Mechaniken an der Kopfplatte zu tun haben. Hier müssen erst einmal die alten Saiten runter. Eine an der Brücke eingehängte Saite kann einfach entspannt und abgenommen werden, ein sehr relaxtes Prozedere. Ist sie durch die Brücke oder durch Brücke und Korpus gefädelt, wird sie entspannt und durchgekniffen. Ich empfehle, dies über dem Griffbrett zu tun, damit keine Metallsplitter in die Nähe der Pickups kommen. Das kann unter Umständen ungewollte Kontakteschließen und einen Tonabnehmer lahmlegen. Der hintere Teil der Saite wird dann vorsichtig nach hinten herausgezogen.
Um den Korpuslack beim Ausfädeln aus der Brücke zu schützen, kann man entweder ein Tuch hinter die Bridge legen oder besser ein, zwei Streifen Kreppklebeband aufkleben. Das aber bitte vorher einige Male auf der Jeans aufkleben und wieder abziehen, um die Haftung zu vermindern. Damit verhindert man zuverlässig, dass beim Abziehen plötzlich Lack am Krepp pappen bleibt.
Soll die Saite beim Abnehmen heile bleiben, nimmt man sie aus der Mechanik und zieht das aufgewickelte Ende vorsichtig wieder lang, um sie dann besser durch die Brücke bugsieren zu können. Auf diese Weise kann sie als Ersatz beiseite gelegt werden, oder um auf einem anderen Instrument noch einmal zum Einsatz zu kommen.
So, Vorbereitung beendet, jetzt kann die neue Saite drauf! Die liegt meistens zusammengerollt in der Packung. Haltet die Saite beim Entrollen weit genug vom Körper weg, damit eines der Enden nicht ins Auge geht! Die Fraktion der Brückeneinhänger ist fein raus, denn sie tut eben dies und ist mit diesem Teil des Aufziehens schon fertig. Alle anderen müssen die Saite vorsichtig durch die Brücke oder den Korpus fädeln. Achtet darauf, dass die Saite bis zum Ende durchgezogen wird und das Ballend direkt an der Brücke anliegt.
Ballend falsch
Ballend richtig
Praktisch alle Bassmechaniken haben in der Mitte der Wickelachse ein Loch, in dem das Saitenende verschwindet. Also einfach einstecken und drehen, bis die Saite stramm ist? Lieber nicht!
Statt eines dicken Knäuels sollen nämlich am Ende nur zwei bis drei Wicklungen auf der Achse sein. Dazu ein kurzer Blick auf typische Stimmmechaniken:
■ gerade Wickelachse: Hier geht es zylindrisch von oben nach unten durch, meist mit dicker Achse bei Vintage(artigen)-Mechaniken.
■ konkave Wickelachse: Diesen Typ gibt es in unterschiedlicher Ausprägung mit dicker wie dünner Achse. Hier ist die Mitte am dünnsten, zum Ende und zur Kopfplatte wird die Mechanik dicker.
■ konische Wickelachse: Das dünnste Ende der Mechanik findet sich nahe der Kopfplatte, nach oben wird sie kontinuierlich dicker.
Ein bisschen Mathematik gefällig? Eine typische große Wickelachse hat einen Durchmesser von 14 Millimeter. Das ergibt einen Umfang von knapp 44 mm (14 x Pi). Eine Gotoh-artige hat 11 mm, das gibt gut 34,5 mm Umfang, die Schaller M4 mit 8 mm kommt auf gut 25 mm.
Für eine Kluson-Mechanik, wie auf alten Fender- Bässen zu finden, benötigen wir also etwa 9 cm, um die Saite zweimal um die Wickelachse zu bekommen. Aber halt – noch nicht abknipsen! Nachdem wir festgestellt haben, wie viel Saite überstehen muss (im Fall der E-Saite ist das bei Fender-Bässen ca. bis hinter die D-Mechanik) wird das übrige Ende mit der Zange sauber und rechtwinklig nach unten gebogen.
Jetzt erst wird etwa zwei Zentimeter unterhalb des Knicks abgekniffen.
Warum dieser Umweg? Ohne den Knick kann es passieren, dass sich die Wicklung der Saite vom Kern löst. Ergebnis ist dann trotz neuer Saite einundefinierbares Schnarren in jeder Lage sowie ein deutlich verkürztes Sustain. So, nun aber das Ende von oben in die Wickelachse eingesteckt und hochgestimmt. Dabei ist auf zwei Dinge zu achten: Zum einen darf die Saite nicht in sich verdreht werden, zum anderen muss immer eine Lage unter der anderen liegen. Ersteres führt sonst dazu, dass die Saite nicht frei schwingen kann, kürzeres Sustain und unter Umständen auch noch schlechtere Intonation aufweist. Letzteres sorgt dafür, dass die gestimmte Saite am Ende möglichst dicht an der Kopfplatte zu liegen kommt. So ist ein gesunder Druck auf den Sattel möglich, ohne den es an dieser Stelle gerne schnarrt. Das ist ganz typisch bei der A-Saite von klassischen Fender-Bässen, die einen relativ langen Weg zur Mechanik hat, ohne Hilfe durch einen Niederhalter.
Bei seiner neuen Firma Music Man – und später bei seiner letzten Firma, G&L – nahm sich Leo Fender dieses Problems an und ließ bei Schaller Mechaniken fertigen, deren Wickelachse zur Kopfplatte dünner wurde und so die Saite beim Aufziehen automatisch runterzog. Das machte den Niederhalter zwar nicht überflüssig, sorgte aber gerade bei besagter A-Saite für den nötigen Andruck.
Noch sind wir nicht ganz fertig mit dem Aufziehen der Saite. Gerade die tiefen, dicken Saiten sind so steif, dass sie in einem Bogen über Sattel laufen und wiederum mit einem Bogen über die Saitenreiter laufen. Sie nur zu stimmen reicht nicht, um sie geradezuziehen. Also drücken wir die Saite vorsichtig, aber bestimmt im ersten Bund und direkt vor der Brücke herunter, damit sich eine gerade Linie von Auflagepunkt zu Auflagepunkt ergibt. So wird vermieden, dass die Saite schwammig und undifferenziert klingt und nicht sauber intoniert.
Und nun auf ein Neues – die nächste Saite wartet! Über die Frage: „Alle Saiten auf einmal wechseln oder eine nach der anderen?“ wird teilweise vehement gestritten. Ich halte es so: Ist sowieso eine Griffbrettreinigung angeraten, nehme ich alle Saiten runter, das macht die Pflege deutlich einfacher. Ist das nicht nötig, wechsele ich eine nach der anderen. Grundsätzlich sind Basshälse und deren Stahlstäbe aber so stabil, dass ein Wechsel von Spannung/Entspannung/Spannung diese nicht aus der Bahn werfen dürfte.
Noch ein Tipp für die ganz eiligen: Oft sehe ich es, dass das abgewinkelte Ende ins Loch in die Wickelachse gesteckt wird, danach wird die Saite von Hand um die Achse gelegt und dann gestimmt – spart einige Umdrehungen der Mechanik! Soweit gut, nur verdreht man damit unter Garantie die Saite in sich. Bei Bässen, bei denen die Saiten durch den Korpus gezogen werden, sollte man auf diese Methode gänzlich verzichten. Muss es wirklich mal schnell gehen, so sollte die Saite, sobald sie locker aufgezogen ist, einmal Richtung Brücke gezogen werden, so dass sich das Ballend von der Bridge lösen und drehen kann. Dann klappt‘s auch wieder mit dem freien Schwingen!
Apropos Ballend: Bei manchen Saiten sind sie so klein, dass sie bei manchen Brücken einfach durch die Bohrung rutschen. Abhilfe schaffen da Unterlegscheiben, die vor dem Durchfädeln auf die Saite gezogen werden.
Etwas Handgymnastik ist angesagt, wenn das Ballend nicht in der Brücke eingehängt bleiben mag: Die Saite durch die rechte Hand führen und dadurch leicht auf Zug halten, dabei mit dem rechten Zeigefinger zur Mechanik führen. Alternativ kann man sich mit einem Kapodaster behelfen, mit dem man die Saite leicht strammgezogen fixiert und dann in aller Ruhe aufwickelt.
Zu guter Letzt noch ein Wort zur Anzahl der Wicklungen. Die ist natürlich nicht in Stein gemeißelt. Bei sehr kurzen Wickelachsen sind drei Windungen vielleicht schon zuviel, andererseits können sehr dünn auslaufende Saiten ruhig einen Schlag mehr vertragen, um die Saite ausreichend nah an die Kopfplatte zu bringen.
Gut aufgezogene Bass-Saiten auf einem gut eingestellten Bass sind die beste Basis für einen guten Ton und maximalen Spielspaß! Wir hoffen, ihr könnt mit unseren Tipps Fehler und unerwünschte Effekte vermeiden und so das Beste aus euren Drähten rausholen.
In der nächsten Folge werden wir uns Tonabnehmern und Elektroniken widmen.
Fragen und Anmerkungen könnt ihr gerne wieder an service(at)bassprofessor.de richten.
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